Jakobs Schweigen by Anja Goerz

Autor:Anja Goerz
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2020-11-15T00:00:00+00:00

Sie stellte gerade ihre Tasche auf den Rücksitz des Wagens, als ein dunkelblauer VW Kombi auf ihre Auffahrt fuhr. Ihm entstiegen ein Mann mittleren Alters in einer Schimanski-Jacke und eine junge Frau, die ein Gesicht hatte wie eine Puppe. Große braune Augen und rosafarbene Wangen mit Grübchen.

»Moin.« Der Schimanski kam auf Dora zu und reichte ihr die Hand.

»Guten Tag.«

»Sind Sie Dora Ahlendorf?«

Dora nickte.

»Mundt, mein Name, Kriminalpolizei Bremen, und das ist meine Kollegin, Kommissarin Buchholz. Frau Ahlendorf, wir kommen, weil wir gern mit Ihnen über Ihren Enkel sprechen würden. Können wir vielleicht kurz ins Haus gehen?«

Dora wollte weder mit den Beamten reden noch zurück ins Haus, aber sie hatte wohl keine Wahl. Also nickte sie und ging ihnen voraus. Schloss die Haustür auf und führte die beiden Kommissare ins Wohnzimmer. Aus Gewohnheit hätte sie die Beamten beinahe gefragt, ob sie ihnen etwas anbieten dürfe, konnte sich die Frage aber gerade noch verkneifen. Sie wollte, dass die zwei so schnell wie möglich wieder verschwanden.

Kommissar Mundt blieb unschlüssig mitten im Raum stehen, seine Kollegin setzte sich auf einen Stuhl am Esstisch. »Es wird auch nicht lange dauern. Nehmen Sie doch Platz.«

Dora setzte sich auf den Stuhl, der am weitesten von Frau Buchholz entfernt war.

»Wir sind hier, um mit Ihnen über die neuesten Ermittlungsergebnisse im Mordfall Ihres Sohnes zu sprechen«, erklärte Mundt, der nun zwischen den Frauen am Tisch stand und mit beiden Händen die Lehne des Stuhls vor ihm umfasste. »Sie wissen, dass wir Ihren Enkel in Untersuchungshaft genommen haben?«

Dora nickte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie konnte jetzt unmöglich sprechen.

»Es sieht bisher so aus, als stammten die Schmauchspuren an den Händen Ihres Enkels tatsächlich von der Tatwaffe. Auf jeden Fall sind sie noch frisch genug, dass sie zur ermittelten Tatzeit passen.«

Dora stand auf. »Entschuldigung, ich muss mir ein Glas Wasser holen. Möchten Sie auch etwas trinken?«

Beide schüttelten den Kopf.

Als sie aus der Küche zurückkam, saß auch der Schimanski am Tisch. Sah ihr erwartungsvoll entgegen. Seine Kollegin hatte einen kleinen Block und einen Stift vor sich auf den Tisch gelegt.

Mundt sagte: »Schmauchspuren lassen sich noch sehr lange feststellen, selbst wenn der Täter sich tausendfach die Hände mit Seife wäscht.«

Dora setzte sich, trank einen Schluck Wasser, schwieg.

Der Kommissar beugte sich zu ihr vor. »Wir haben DNA-Proben von Ihrem Enkel und auch vom Ehemann Ihres Sohnes genommen, um sie mit den Spuren auf den Patronenhülsen zu vergleichen. Inzwischen wissen wir, dass Ihr Sohn mit einer Waffe mit einem 9-Millimeter-Kaliber erschossen wurde. Kennen Sie eine solche Waffe?«

Dora schüttelte den Kopf.

»Aber Ihr Mann war doch Jäger, auf ihn sind mehrere Waffen registriert«, mischte sich jetzt die junge Kommissarin ein.

Dora sah Mundt an, dass ihm das nicht gefiel. In seine Richtung sagte sie: »Ach, und jetzt meinen Sie, dass ich Ahnung von Waffen habe, nur weil mein Mann auf die Jagd gegangen ist?« Dora wurde lauter. »Ich habe so ein Ding nie angefasst und kann auch nicht damit umgehen.« Dann schenkte sie der Frau mit den Grübchen ein leeres Lächeln. »Mein Mann war der Ansicht, dass Schießen Männersache ist.

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